Der Feind in meinem Büro - Die Kunst, aneinander vorbei zu reden
Leseprobe III aus „Der Feind in meinem Büro“, Martin Wehrle, Econ (2005)
Nehmen wir an, jemand schickt folgende Bestellung
an ein Versandhaus: „Ein Paar Schuhe, bitte!“ Darf
er damit rechnen, dass er die richtigen Schuhe bekommt?
(...) Niemand würde bei einer so ungenauen Bestellung
die genau richtige Lieferung erwarten. Es sei denn,
wir haben es mit Chefs und Mitarbeitern zu tun – und
mit dem, was jeder vom anderen erwartet (...)
Oft wird die Bestellung nicht einmal abgeschickt. Man
behält seine Wünsche für sich, aber ärgert
sich, wenn sie nicht erfüllt werden. Dann lästern
die Mitarbeiter. Dann schimpfen die Chefs. Dann ist
immer der andere Schuld.
Dass Informationen zwischen
Chefs und Mitarbeitern nicht fließen, dass Hierarchieebenen
manchmal so undurchdringlich wie Betondecken sind,
dass jeder
vermutet, was der andere will, aber es nicht genau
weiß: Dieses Problem ist das größte
in der Beziehung zwischen Chefs und Mitarbeitern. Die
meisten Mitarbeiter kennen den Speiseplan in der Kantine
deutlich besser als die Erwartungen ihres Chefs an
sie.
Auf Nachfrage werden sie oft abgespeist mit Allgemeinplätzen
wie: „Machen Sie Ihre Arbeit so gut sie können!“ Das
ist so, als würde man an das Versandhaus schreiben,
es sollte die Schuhe so gut wie möglich liefern.
Welche Schuhe?
Wonach beurteilt der Chef seine Mitarbeiter:
Geht es ihm um Arbeitsmasse oder -klasse? Belohnt er
Risiko
oder fehlerfreie Konstanz? Bewertet er Einzel- oder
Teamleistungen höher? Weiß der Mitarbeiter,
was genau er leisten muss, um einen bestimmten Gehalts-
oder Karrieresprung zu schaffen? Oder wird ihm die
Leiter des Aufstiegs bewusst vorenthalten?
Wie soll
der Mitarbeiter liefern, was der Chef wünscht,
wenn ihm die Wünsche des Chefs gar nicht bekannt
sind? Vor diesem Hintergrund erscheint es ihm ungerecht,
wenn sein Vorgesetzter später dieses oder jenes
an der Leistung bemängelt. Hätte der das
nicht eher sagen können? Wollte er ihn etwa ins
offene Messer laufen lassen? (...)
Auch bei Entscheidungen,
die den Mitarbeiter betreffen, fließen eher später
die Tränen als
vorher die Informationen. Chef eins kauft für
seine Ingenieure eine neue Software, Chef zwei für
seine Fernfahrer neue LKWs, und Chef drei schafft für
seine Bauarbeiter neue Helme an. Aber kaum einer kommt
auf die Idee, diese Entscheidung seinen Mitarbeitern
zu überlassen, ja sie auch nur mit ihnen abzusprechen.
Das Versandhaus liefert, ohne vorher nach einer Bestellung
zu fragen. Die Folge im Alltag: Annahmeverweigerung!
Die Mitarbeiter lehnen solche Arbeitsinstrumente und
Befehle ab. Teils aus Trotz, teils auch deshalb, weil
praxisfremd entschieden wurde. Man hat sie, die Basis,
wieder einmal übergangen.
Allerdings gibt es auch
Mitarbeiter, die von ihrem Chef hellseherische Fähigkeiten
erwarten. Der eine ist beleidigt, weil sein Gehalt
nicht erhöht
wird (ohne überhaupt zu verhandeln). Der andere
wartet vergeblich auf seine Beförderung (ohne
sie überhaupt zu fordern). Und der Dritte hat
schon lange das Gefühl, dass ihm für seine
Arbeit die nötigen Informationen fehlen, aber
wenn der Chef diese nicht liefert, ist das doch dessen
Problem – oder etwa nicht?
Wer seine Wünsche
und Forderungen als Mitarbeiter für sich behält,
macht seinen Arbeitsplatz zum ewigen Schmollwinkel
und seinen Chef zum ewigen
Buhmann. Wer dagegen seine Anliegen aktiv vertritt,
wer auf den Chef zugeht und ihm klar sagt, was er braucht,
der kommt raus aus der Opferrolle, der kann Missstände
verändern (...)
Lust auf mehr? Wie sich das Kriegsbeil zwischen Chefs und Mitarbeitern begraben lässt, verrät das Buch „Der Feind in meinem Büro“. Mit Sonderkapiteln zum Gehalts- und Vorstellungsgespräch. Bestellen Sie jetzt bei Amazon